Nds: Die 'Sexuelle Vielfalt' in Schulen kommt in die heiße Phase

12. November 2014
von Gunther Oberheide

Hannover. Die Landtagsdrucksache 17/1333 steht in Kürze (Fr., 14.11.2014, 10.30 Uhr) wieder auf der Tagesordnung im Kultusausschuss. GRÜNE und SPD können dabei nach Berücksichtigung kleinerer (auch eigener) Abänderungen mit den Stimmen der FDP rechnen. Die CDU hingegen möchte den grün-rot-gelb umformulierten Antrag nicht mittragen und hat nach intensiver Beratung eine eigene, wesentlich breiter angelegte Entschließungsvorlage erarbeitet, mit der auch präventiv der Kinder- und Jugendschutz sowie die dem Bevölkerungsspiegel entsprechenden ethnischen, kulturellen und religiösen Belange Berücksichtigung finden sollen. Fraglich ist, ob im Kultusausschuss nach den vielen nun vorliegenden Stellungnahmen und den teils äußerst kritischen Eingaben die kontroversen Aspekte noch diskutiert werden können oder ob die GRÜNEN mit SPD und FDP ihre eigene Vorlage in das Landtagsplenum durchentschließen werden.

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Nachdem bei der Landtagsverwaltung, vielen Abgeordneten und dem Kultusausschuss überschlägig um die 50 Stellungnahmen, Petitionen und E-Mails eingingen und die FDP schon in der letzten Sitzung bei kleineren Änderungen ihre Zustimmung signalisierte, hatten SPD und GRÜNE am 24.10.2014 ihren grün-rot-gelben Änderungsvorschlag eingereicht, der im Wesentlichen allerdings nur Umformulierungen und Neutralisierungen enthält und nun zusätzlich auf die weiterhin bestehenden Rechte von Eltern sowie der eigenverantwortlichen Schule hinweist. Diese Sichtbarmachung auf das Schulgesetz dürfte insoweit allerdings wohl eher einer Art 'Beruhigungsmaßnahme' gleichkommen, da die sowieso schon bestehenden Rechte nur betont, aber durch den Antrag nicht gerade bestärkt werden.

Und obgleich der Bezugswunsch zur 'Schule der Vielfalt' nach nordhrein-westfälischem Vorbild zumindest auf dem Papier entfernt wurde, ist dennoch davon auszugehen, dass sich die Präferenzen und Zielsetzungen zur 'sexuellen Vielfalt' nicht geändert haben, sondern bestehen bleiben. 'Initiativen' sollen weiterhin als Externe Berater für 'Aufklärungsprojekte' in die Schulen gehen und dabei durch das Land unterstützt werden. Hierfür wird im Besonderen die Initiative SchLAu genannt; warum eigentlich, fragen Kritiker. Tatsächlich ist diese Institution weder neutral noch arbeitet sie mit fundierten Grundlagen, vertritt allerdings eigene Standpunkte und Interessen. Ihre trainierten Vortragenden dürfen in die Klassen gehen, treten vor Kindern* und Schülern* somit quasi in Lehrerstatus, da diese währenddessen den Klassenraum verlassen müssen; Kontrolle ausgeschlossen. Dennoch erhält diese Institution in der geänderten Drucksache nun einen noch festeren Status als im vorherigen Entwurf. Die Warum-Frage stellt sich auch hier. SchLAu möchte sich gern erweitern, sich möglichst weit in die ländlichen Regionen hinein vernetzen, wofür bisher das Geld fehlte. Könnte dieses kleine unscheinbare Detail in der Drucksache 17/1333 insoweit behilflich dabei sein, dass das Land Niedersachsen möglicherweise als starker Mitfinanzier einer einzelnen Lobby-Institution und somit seinen Expansionsplänen und Zielen dienlich wird?

In der Begründung der grün-rot-gelben Beschlußvorlage wird nach wie vor die vermeintlich unzureichende Thematisierung in Schulbüchern und im Schulunterricht genannt, weswegen homo-, bi-, trans- und inter- und asexuelle Kinder- und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu wenig unterstützt würden. Letztlich solle mit dem Antrag ein homophobes Klima an Schulen vermieden werden. Schlußendlich kam in der Begründung noch ergänzend hinzu, dass im Sexualkundeunterricht im Bereich Gefühle und Familienbilder auf die speziellen Besonderheiten auch anderer als heterosexueller Partnerschaften eingegangen werden müsse, denn Aufklärung sei ja eine wichtige Aufgabe für alle Jugendlichen.

Wieso allerdings im letzten Wort des Antrags nur "Jugendliche" genannt werden, ist dabei eine interessante, offene Frage, da dieses Wort den unbedarften Leser leicht in die Irre führen könnte, denn die Beschlußvorlage bezieht sich insbesondere auch auf den Wirkungskreis der Grundschulen - die bleiben aber auch in dieser Unterlage nach wie vor begrifflich erwähnungsfrei.

Ist es daher vielleicht kaum verwunderlich, dass u. a. auch der gerade in diesen Fragen wichtige Grundschulverband Niedersachsen keine Stellungnahme abgegeben hat, da er sich in der Drucksachenvorlage inhaltlich gar nicht angesprochen fühlte und somit die Notwendigkeit überhaupt nicht erkannte und auch der Drucksachentitel "... Diskriminierung vorbeugen" im Abarbeitspensum des ehrenamtlich tätigen Vorstands kein besonderes Bevorzugungsbedürfnis suggierte?

Insoweit mag an dieser Stelle auch erwähnenswert sein, dass einige Klagen aus dem angeschriebenen Adressatenkreis zu hören waren, z. B. dass der Eingang der Nachricht zur Abgabe einer Stellungnahme ungünstigerweise kurz vor den Sommerferien erfolgte (die ja bis 10. September gingen) und deshalb offensichtlich noch nicht einmal vernünftig Zeit blieb, in Kürze einen gemeinsamen Temin für die in Niedersachsen verteilten Verbandsmitglieder zu finden und zu einer Sitzung einzuladen, geschweige denn sich mit der nötigen Sorgfalt in die komplexe Thematik der 'Sexuellen Vielfalt' einzuarbeiten und dabei auch noch die Unterverbände, Arbeitsgruppen etc. zu beteiligen (die sich ja dann ebenfalls erst noch terminieren, erarbeiten, besprechen und Feedback geben müssen, damit der Gesamtvorstand wiederum aus den Ergebnissen seine eigene Empfehlung für den Kultusausschß ableiten kann); das war vielen bis zum 10.10.2014, dem gesetzten Fristende, schlicht unmöglich.

Hingegen erhielt der Lesben- und Schwulenverband Niedersachsen-Bremen seine Post schon am 04.07.2014 und formulierte seine Vorstellungen und Forderungen auf mächtigen 34 Seiten - und lieferte gleich ein vollständig ausgearbeitetes Kerncurriculum für die Schuljahrgänge 5 bis 10 mit.

Der Philologenverband Niedersachsen beispielsweise teilte am 20.10.2014 auf Nachfrage mit, "dass die Meinungsbildung des Verbandes zu der Landtagsdrucksache 17/1333 noch nicht abgeschlossen ist und wir aus diesem Grunde keine Stellungnahme abgeben können." In anderen Verbänden hatten einige sogar noch nicht einmal die Unterlage auf dem Tisch oder Bildschirm, weil die rückständigen "200 E-Mails" aus der Urlaubszeit noch gar nicht abgearbeitet waren bzw. beim Überfliegen der E-Mail-Betreffs die Fristsetzung schlicht übersehen wurde...

Inhaltlich möchte die Landtags-CDU dem Änderungsvorschlag nicht zustimmen und hat daher eine eigene Vorlage erarbeitet, die am 11.11.2014 vorgelegt wurde. Auch in ihr ruft die CDU zu Toleranz und gegen Diskriminierung auf und sieht sich offen gegenüber verschiedenen Lebensstilen - allerdings in moderaterer Form, nicht in fordernder.

Dabei begrenzt sich CDU-Fraktion nicht nur auf den Bereich der sog. 'Sexuellen Vielfalt', sonden erweitert den Horizont des Antrags von GRÜNE, SPD und FDP auf alle Bereiche der Gesellschaft, denn die "Schule hat die Gefahr vielfältiger Diskriminierung in unserer Gesellschaft zu thematisieren und jeglicher Ausgrenzung entgegenzuarbeiten. Das umfasst sämtliche Stigmatisierungen aufgrund Herkunft, Glauben, persönlicher und auch sexueller Orientierung, ohne sich auf einzelne Punkte zu verengen".

Dabei beklagt die CDU-Fraktion nicht schwermütig ein 'Klima der Homophobie', sondern formuliert den Wunsch nach einem "Klima der Offenheit und umfassenden Information", das "in allen Schulformen und Fächern altersangemessen und eingebettet in den Unterrichtszusammenhang geschehen" möge. Hierbei dürfte eine Betonung auch auf 'altersangemessen' legen, womit die Landtags-CDU offensichtlich nicht nur auf die Sorgen und Ängste von Eltern eingeht, sondern auch die Warnungen von Experten berücksichtigt; zumindest präventiver Art.

Die CDU-Fraktion legt Wert auf eine schulische Sexualerziehung, die "besonders alters-, kultur- und glaubenssensibel und unbedingt unter Einbeziehung der Eltern erfolgen" muß.

Damit geht sie antragsweiterführend auch auf die Belange der vielen Menschen mit unterschiedlich kulturellem und religiösem Migrationshintergrund ein, die in Niedersachsen bereits zuhause sind und hier - politisch gewollt - auch weiterhin noch zuziehen werden. In Ballungszentren wie z. B. der Landeshauptstadt Hannover freut man sich über einen starken Geburtenzuwachs; nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings, das jedes zweite neugeborene Baby in Hannover mittlerweile ein Kind mit Migrationshintergrund ist - dem trägt die Landtags-CDU in ihrem Antrag entsprechend Rechnung.

Es bleibt abzuwarten, ob die mehrheitstragenden Landtagsabgeordneten von GRÜNEN, SPD und FDP in der kommenden Kultusausschuss-Sitzung am Fr., 14.11.2014 ab 10.30 Uhr noch Gesprächsbereitschaft signalisieren und sich konstruktiv ergebnisoffen zeigen; zum einen für eine inhaltliche Aussprache der vielen kontroversen Eingaben aus der Anhörung, darunter auch äußerst kritische (neben anderen interessanten Aspekten und Argumenten ist dort auch die Stimme von Experten zu hören, die z. B. von bedenklich "fachlichen Mängeln" sprechen, von einer "auf Manipulation abzielenden Pädagogik" mit dem "Tenor, dass die bisherige Sichtweise der Kinder nicht richtig sei" oder von dem "Versuch, die Thematisierung lesbischer und schwuler Lebensweisen in den Schulalltag einfließen zu lassen"), und zum anderen für den Änderungsvorschlag der CDU-Fraktion, der sich - unter Berücksichtigung des kulturellen und religiösen Bevölkerungsspiegels - der realen Situation stellt, aber mit mehr Ausgewogenheit präsentiert.

Die CDU-Vorlage wünscht sich Behutsamkeit - insbesondere im Interesse des Seelenheils der Kinder- und Jugendlichen.


* Im Interesse der besseren Lesbarkeit und einer korrekten Rechtschreibung verzichten wir auf eine Wortwahl wie "Clowns und Clowninnen", "Leser/innen" oder das typografisch falsche "LeserInnen"; es ist immer die Funktion gemeint und nicht das Geschlecht.



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