Willy Wimmer: "Der Bundespräsident soll die Amerikaner auffordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen"

1. September 2015
von Redaktion

Hannover. Auf der Gedenkveranstaltung des DGB in der Ruine der Aegidienkirche Hannover zum Anti-Kriegstag am Die., 01.09.2015, 17 Uhr fand der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium a.D. Willy Wimmer (CDU) klare, mahnende Worte: Wir seien mitten im Krieg und die europäische Sicherheit hänge an einem seidenen Faden. Deutschlands wichtigster Hauptbündnispartner Amerika sei Hauptkriegstreiber in der Welt, daher müsse Bundespräsident Gauck bei seinem bevorstehendem Besuch in den Vereinigten Staaten den amerikanischen Präsidenten öffentlich auffordern, endlich mit den Kriegen aufzuhören, die diese Flüchtlingsbewegungen verursachen. Wimmer brachte deutlich zum Ausdruck, dass es fünf Minuten vor Zwölf keinen Sinn mehr mache, um den heißen Brei herumzureden.

"Wir wollen mit den Amerikanern in Frieden leben, wir wollen sie auch als Freunde haben, aber sie müssen uns nicht in einen Krieg nach den Nächsten treiben – sonst macht das auch mit der Freundschaft keinen Sinn und führt ins Elend!"

Lesen Sie hier die ganze Rede von Willy Wimmer im Wortlaut:


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Willy Wimmer, Aegidienkirchenruine in Hannover 2015: "Der Bundespräsident soll die Amerikaner auffordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen"
Willy Wimmer: "Werden wir im nächsten Jahr überhaupt nochmal in der Lage sein, uns hier zu treffen und an diesen Tag zu erinnern oder wird die europäische Sicherheit, die derzeit an einem Faden hängt, gerissen sein?"


Herr Preissner, Herr Eifler,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich glaube dass wir heute einen sehr besonderen Tag haben. Und dieser Tag unterscheidet sich massiv von den Gedenkveranstaltungen, die es in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten hier gegeben hat.

Man konnte sich in den zurückliegenden Jahren mit dem Schrecken und den Schrecknissen der Vergangenheit auseinandersetzen. Und man konnte seine eigene Position dabei auch deutlich machen; nur meine Damen und Herren, in diesem Jahr sind wir mitten im Krieg! Und wenn wir die Situation nüchtern beurteilen, dann müssen wir davon ausgehen, dass eine große Frage uns alle bewegen muß: Werden wir im nächsten Jahr überhaupt nochmal in der Lage sein, uns hier zu treffen und an diesen Tag zu erinnern oder wird die europäische Sicherheit, die derzeit an einem Faden hängt, gerissen sein?

Also vor diesem Hintergrund meine Damen und Herren, ist es nicht nur eine Frage danach, dass wir uns hier versammelt haben sondern wir müssen daran denken das über 100.000 Mitglieder des DGB in dieser Stadt in dieser Region zu Hause sind und über 200.000 zum weiteren Gebiet des Deutschen Gewerkschaftsbundes hier zählen - das müssen unsere Verbündeten sein und das sind unsere Verbündeten in der Auseinandersetzung mit dieser entscheidenden Frage.

Meine Damen und Herren, der 1. September ist natürlich in der Nähe des 3. Oktober. Und vor diesem Hintergrund müssen wir uns nicht nur Gedanken darüber machen, was diesen 1. September auszeichnet, sondern was macht eigentlich der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, in diesem Zusammenhang aus. Ich glaube dass wir in dieser Zeit diese Fragen auch beantworten können.

Zunächst einmal was den 1. September anbetrifft: Ich schließe mich natürlich den Worten von Herrn Preissner an; es ist gar keine Frage, wo das humane Deutschland in diesem Zusammenhang stehen muß. Meine Damen und Herren, es kommt nicht nur darauf an zu sagen was man denkt – und zu sagen, dass man bestimmte Dinge eben nicht mitmachen darf. Es kommt aber auch darauf an, dass unser Herr Bundespräsident bei seinem bevorstehendem Besuch in den Vereinigten Staaten den amerikanischen Präsidenten öffentlich auffordern muß, endlich mit den Kriegen aufzuhören, die uns seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien diese Flüchtlingsbewegungen um uns herum ins Haus bringen; die Kriege müssen beendet werden!


Willy Wimmer: ''Es kommt aber auch darauf an, dass unser Herr Bundespräsident bei seinem bevorstehendem Besuch in den Vereinigten Staaten den amerikanischen Präsidenten öffentlich auffordern muß, endlich mit den Kriegen aufzuhören, die uns seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien diese Flüchtlingsbewegungen um uns herum ins Haus bringen; die Kriege müssen beendet werden!''
Willy Wimmer: "Es kommt aber auch darauf an, dass unser Herr Bundespräsident bei seinem bevorstehendem Besuch in den Vereinigten Staaten den amerikanischen Präsidenten öffentlich auffordern muß, endlich mit den Kriegen aufzuhören, die uns seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien diese Flüchtlingsbewegungen um uns herum ins Haus bringen; die Kriege müssen beendet werden!"


Und meine Damen und Herren: Wir erleben seit Mitte der Neunziger Jahre, dass gegen unseren Willen unser wichtigster Bündnispartner der Hauptkriegstreiber in diesem Zusammenhang ist. Und deswegen: Wenn wir uns dafür einzusetzen, dass die Menschen an ihren angestammten Wohnsitzen bleiben können müssen, dann ist es zwingend und dringend erforderlich, dass die Vereinigten Staaten zu einer Politik zurückkehren, die dem Völkerrecht auf dieser Welt wieder einen Platz ermöglicht.


Willy Wimmer: ''Wir erleben seit Mitte der Neunziger Jahre, dass gegen unseren Willen unser wichtigster Bündnispartner der Hauptkriegstreiber in diesem Zusammenhang ist''
Willy Wimmer: "Wir erleben seit Mitte der Neunziger Jahre, dass gegen unseren Willen unser wichtigster Bündnispartner der Hauptkriegstreiber in diesem Zusammenhang ist"


Und meine Damen und Herren, solange wir das nicht aussprechen, werden wir auch an dieser Entwicklung kein vernünftiges Ende finden, dann geht das weiter und wird weiterbetrieben – und ich sag' das deshalb so deutlich, weil es fünf Minuten vor Zwölf keinen Sinn mehr macht, um den heißen Brei herumzureden! Wir wollen mit den Amerikanern in Frieden leben, wir wollen sie auch als Freunde haben, aber sie müssen uns nicht in einen Krieg nach den Nächsten treiben – sonst macht das auch mit der Freundschaft keinen Sinn und führt ins Elend!


Willy Wimmer: ''Ich sag' das deshalb so deutlich, weil es fünf Minuten vor Zwölf keinen Sinn mehr macht, um den heißen Brei herumzureden! Wir wollen mit den Amerikanern in Frieden leben, wir wollen sie auch als Freunde haben, aber sie müssen uns nicht in einen Krieg nach den Nächsten treiben – sonst macht das auch mit der Freundschaft keinen Sinn und führt ins Elend!''
Willy Wimmer: "Ich sag' das deshalb so deutlich, weil es fünf Minuten vor Zwölf keinen Sinn mehr macht, um den heißen Brei herumzureden! Wir wollen mit den Amerikanern in Frieden leben, wir wollen sie auch als Freunde haben, aber sie müssen uns nicht in einen Krieg nach den Nächsten treiben – sonst macht das auch mit der Freundschaft keinen Sinn und führt ins Elend!"


Und ich glaube, das wir gerade an diesem Tag auf diesen Umstand aufmerksam machen; es muß Schluß sein mit den Kriegen und unsere Regierung muß dass den amerikanischen Bündnispartner wissen lassen – genauso wie sie die amerikanische Seite wissen lassen muß, dass TTIP für uns nicht nur das Ende der sozialen Marktwirtschaft, sondern das Ende des demokratischen Rechtsstaates in Deutschland ist und deswegen unsere Zustimmung nicht, unter keinen Umständen finden darf!

Meine Damen und Herren, ich habe das ja aus gutem Grund mit dem 3. Oktober angesprochen: Warum sind wir zur Wiedervereinigung unseres eigenen Landes gekommen - dafür gibt es Gründe: Wir haben verhandelt, verhandelt, verhandelt. Wir haben uns Gedanken gemeinsam mit der anderen Seite über die Menschenrechte gemacht. Wir haben Abrüstungsverhandlungen erfolgreich zu Ende geführt. Wir sind zur deutschen Wiedervereinigung gekommen, weil es die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gegeben hat. Meine Damen und Herren: Nichts bringt uns weiter im Zusammenhang mit unsern Nachbarn, als gemeinsame Verhandlungen durchzuführen. Und wir sind doch in diese heutige Situation deshalb gekommen, weil wir von diesem erfolgreichen Konzept des Verhandelns Abstand genommen haben.

Und warum haben wir Abstand nehmen müssen? Weil es nicht mehr im amerikanischen Interesse ist, mit der Welt friedlich umzugehen; das ist doch der Kernpunkt all' unserer Auseinandersetzungen, mit denen wir es zu tun haben. Und gerade in einer Kirche, die im Bombenkrieg vernichtet worden ist, muß man doch darauf aufmerksam machen: Nie wieder Krieg! Das muß auch für uns bedeuten, nie wieder auf den Nachbarn schießen, sondern wenn es um Probleme geht: Verhandeln und zu Verhandlungen zurückkehren.


Willy Wimmer: ''Es ist nicht mehr im amerikanischen Interesse, mit der Welt friedlich umzugehen; das ist doch der Kernpunkt all' unserer Auseinandersetzungen, mit denen wir es zu tun haben.''
Willy Wimmer: "Es ist nicht mehr im amerikanischen Interesse, mit der Welt friedlich umzugehen; das ist doch der Kernpunkt all' unserer Auseinandersetzungen, mit denen wir es zu tun haben."


Und meine Damen und Herren, wir sehen es doch gerade in diesen Tagen. Wenn ich eben gesagt habe: Die europäische Sicherheit hängt an seinem seidenen Faden. Wenn die Frau Bundeskanzlerin nicht nach Minsk gefahren wäre, nachdem Präsident Hollande – ein französischer Sozialist – zunächst mal alleine zu Putin gefahren ist im Dezember des vergangenen Jahres, dann wissen wir doch alle nicht, ob wir nicht hier schon in Europa wieder 'nen Kriegszustand haben würden! Alles das, was im letzten Jahr in der Ukraine passiert ist, ist doch darauf ausgerichtet gewesen, den großen Konflikt für Europa in der Konsequenz schon wieder zu bewältigen.

Und ich sage das deshalb, auch im Hinblick auf einen französischen Sozialisten, meine Damen und Herren: Das vergangene Jahrhundert war voller Schrecken, aber es gab einen Lichtblick im Zusammenhang mit diesem Jahrhundert – und das war der Führer des französischen Sozialisten, der wenige Wochen vor dem Beginn des ersten Weltkrieges ermordet worden ist durch einen Nationalisten. Wir sollten in diesem Jahrhundert des Schreckens an Jean Jaurès besonders denken – das sind Menschen, die uns verpflichten, im Zusammenhang mit schrecklichen Entwicklungen mahnend das Wort zu ergreifen und zu sagen „So geht es nicht!“; die uns regieren müssen berücksichtigen, dass wir nicht für sie sterben wollen! Meine Damen und Herren, das ist die Verpflichtung dieser Tage.


Willy Wimmer: ''Die uns regieren müssen berücksichtigen, dass wir nicht für sie sterben wollen!''
Willy Wimmer: "Die uns regieren müssen berücksichtigen, dass wir nicht für sie sterben wollen!"


Und meine Damen und Herren, die Dinge des vergangenen Jahres machen doch deutlich, auf was uns jetzt in Europa zukommt und wir wissen, dass das vergangene Jahr ein Musterbeispiel dafür gewesen ist, europäische Ohnmacht vorzuführen. Niemand aus dieser größeren Region hat eigentlich in Kiew zusammen mit dem französischen Außenminister und dem polnischen Außenminister versucht, die europäische Ehre zu retten. Das war nicht irgendein lockerer Spruch, sondern die komplizierte Situation in der Ukraine sollte durch Verhandlungen gelöst werden. Frank-Walter Steinmeier, Fabius und Sikorski waren angetreten, es nicht zum Äußersten in Kiew kommen zu lassen. Und im amerikanischen Interesse ist diese europäische Verhandlungslösung auf dem Maidan-Platz zerschossen worden.

Und meine Damen und Herren, nachher findet eine Veranstaltung im Neuen Rathaus statt im Zusammenhang mit Oradour; Schande über Deutschland. Aber meine Damen und Herren, wir müssen auch dagegen auftreten, dass im Gewerkschaftshaus von Odessa im letzten Jahr schon wieder Menschen verbrannt worden sind. Meine Damen und Herren, wir dürfen keine selektive Wahrnehmung im Zusammenhang mit diesen Dingen haben – und deswegen bin ich froh, dass ich hier nach Hannover eingeladen worden bin, um deutlich zu machen, 'Wir haben ein Wort', aber wir müssen es in diesen entscheidenden Jahren und in diesen entscheidenden Wochen auch nutzen.

Appellieren Sie an den Herrn Bundespräsidenten, sich nicht nur deutlich über die Situation in Deutschland zu äußern, sondern die Amerikaner aufzufordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Willy Wimmer: "Wir haben ein Wort, aber wir müssen es in diesen entscheidenden Jahren und in diesen entscheidenden Wochen auch nutzen. Appellieren Sie an den Herrn Bundespräsidenten, sich nicht nur deutlich über die Situation in Deutschland zu äußern, sondern die Amerikaner aufzufordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen!"
Willy Wimmer: "Wir haben ein Wort, aber wir müssen es in diesen entscheidenden Jahren und in diesen entscheidenden Wochen auch nutzen. Appellieren Sie an den Herrn Bundespräsidenten, sich nicht nur deutlich über die Situation in Deutschland zu äußern, sondern die Amerikaner aufzufordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen!"


Willy Wimmer, Aegidienkirchenruine in Hannover 2015: "Der Bundespräsident soll die Amerikaner auffordern, mit ihren Kriegen Schluß zu machen"
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Willy Wimmer (CDU) gehörte 33 Jahre dem deutschen Bundestag an und war in dieser Zeit verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE.



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